MEMS: Warum diese Mikro-Chips Intelligenzbestien sind

2022-10-22 21:16:41 By : Mr. Martin Zhang

Sie sitzen bald überall, sei es am und im Körper, in unseren Fahrzeugen und in all unseren Elektrogeräten. Sie werden immer mehr, immer kleiner und immer intelligenter. Erfahren Sie mehr über die die Mikro-Elektro-Mechanischen-Systeme, kurz: MEMS.

MEMS – Micro-Electro-Mechanical-Systems – sind winzige Wunderwerke. Im Handy registrieren sie Lageveränderungen, im Reifen Druckveränderungen, in Maschinen Vibrationsänderungen. Sie bestehen aus einem mechanischen Element (im Bild oben) und aus einem Elektronik-Baustein (im Bild unten). - (Bild: ccd systems)

Die Abkürzung MEMS steht für Mikro-Elektronisch-Mechanischen-Systeme. Laut Elektronik-Kompendium sind diese "winzige Bauelemente, die Logikelemente und mikromechanische Strukturen in einem Chip vereinen. Sie können mechanische und elektrische Informationen verarbeiten". Micro-Electro-Mechanical-Systems sind maximal wenige Millimeter klein, arbeiten in Smartphones, Druckern, Herzschrittmachern oder im Fahrzeug. Sie messen Drücke, Bewegungen, aber auch Licht und Gas.

Das Marktforschungsinstitut IHS Markit zählt drei verschiedene Typen auf, die 95 % der weltweiten MEMS-Umsätze ausmachen – den Drucksensor, den Beschleunigungssensor und das Gyroskop. Neben den messenden Bauelementen gibt es auch Aktuatoren, so zum Beispiel die winzigen Düsen in Inkjetdruckern, Mikrospiegel, Pumpen und Mikrofone.

Micro Electro Mechanical Systems bestehen - wie der Name schon sagt - immer aus zwei Elementen, einem mechanischen und einem elektronischen, verbunden sind diese über eine Drahtbrücke. Das mechanische Element besteht häufig aus Silizium, in das bewegliche 3D-Strukturen geätzt werden. Es können aber auch Glas-, Metall- oder Kunststoffelemente sein, oder aber es werden mehrere mechanische Elemente kombiniert – je nach Aufgabe. Der Elektronik-Baustein nimmt Bewegungsänderungen in der Umgebung auf und wandelt sie in ein weiterverwertbares Signal um. Oft werden weitere Funktionen wie Funk oder Security integriert.

Hergestellt werden sie wie Halbleiter-Chips. Da MEMS üblicherweise dreidimensionale Strukturen besitzen und zusätzliche Materialien beinhalten, können sie nicht als eine Produktvariante auf derselben Anlage wie beispielsweise ein IC gefertigt werden. ASIC und Sensor oder Aktuator werden getrennt gefertigt und an einem dritten Ort eingehaust.

MEMS – aus Elektronik und Mechanik kombinierte Systeme im Chip-Format – erleben turnusmäßig immer wieder neuen Aufschwung. Den derzeitigen lösten die Entwicklungsaktivitäten in Richtung autonomes Fahren aus. "Seitdem gibt es viele MEMS-Entwicklungen für die Fahrzeug-Außenraumüberwachung", berichtet der Wissenschaftler Ralf Dudde vom Fraunhofer ISIT.

Fürs Auto gibt es die Technologie erst, seit der weltweit größte MEMS-Sensor-Hersteller, nämlich die Robert Bosch GmbH, den Trockenätzprozess für Silizium – den sogenannten Bosch-Prozess – entwickelte. Davor sorgten die Winzlinge in Inkjet-Druckern für den Ausstoß der Tinte oder als Mikrospiegel in optischen Schaltern für mehr Bandbreite.

Bosch betreibt in Reutlingen eine Halbleiter-Fabrik – Silizium war dort als kostengünstiges Material also reichlich vorhanden. "Silizium zeigt im Gegensatz zu Metall keine plastische Deformation. Unser Ziel war es, daraus ein schwingungsfähiges Gebilde herzustellen", sagt Bosch-Marketingmanager Joachim Kornmayer.

MEMS-Sensoren auf Siliziumbasis, wie sie heute in Massen verwendet werden, waren, so Kornmayer, nicht unbedingt naheliegend: "Silizium ist als Material, das sensibel auf Bewegung reagieren soll, recht ungewöhnlich, da es ein sprödes Material ist." Bis dato waren Sensoren, die die Beschleunigung oder Drehrate eines Fahrzeugs gemessen haben, aus Metallen oder speziellen Werkstoffen. "Sensoren zur Messung feinster Bewegungen waren feinmechanische Wunderwerke – zu teuer und zu aufwändig für die Großserie", bestätigt Kornmayer.

Durch das Präzisions-Ätzen werden feinste Kammstrukturen auf der Wafer-Oberfläche freigelegt. Die Finger dieser winzigen, miteinander verzahnten Kammstrukturen sind nicht mal ein Viertel so dick wie ein menschliches Haar. Bei einer plötzlichen Veränderung, etwa wenn das Auto scharf bremst, werden die Kämme gegeneinander verschoben. Die elektrische Ladung zwischen den Kämmen verändert sich. Ein spezieller ASIC liest diesen Messwert aus, wandelt ihn in einen digitalen Wert um und gibt diesen über eine Schnittstelle zur Weiterarbeitung durch einen Mikrocontroller oder ein verbundenes Steuergerät aus.

Das Neueste bei den Bosch MEMS-Sensoren ist ein barometrischer Drucksensor. Er misst in Motormanagementsystemen Luftdruck und Temperatur, um kontinuierlich das Luft-Kraftstoff-Gemisch optimal auf die sich ständig ändernden Umgebungsbedingungen abzustimmen. Er braucht kaum Energie und ist äußerst präzise.

Eine Wheatstone-Brücke im Verbund mit piezoresistiven Widerständen wandelt die durch den Luftdruck verursachte Durchbiegung einer flexiblen Membran im MEMS-Sensor in ein elektrisches Signal um. Das ganze System findet in einem Gehäuse von nur 4,9 x 3,9 x 1,5 mm Ausmaße Platz.

Obwohl die Maschinen und Anlagen der MEMS- und der Chip-Hersteller identisch sind, lassen sich diese nicht für beides nutzen. "Bei der Fertigung von MEMS gibt es keine Standardprozesse wie in der Elektronikfertigung", berichtet Dudde. Jedes Bauelement erfordert einen spezifisch angepassten Prozess. "Das erschwert die Übertragbarkeit und führt dazu, dass das Wachstum weniger dynamisch ist als in der Mikroelektronik", so Dudde.

Die 3D-Strukturen im Mikrometer-Bereich sind fertigungstechnisch weniger problematisch als der Umgang mit den unterschiedlichen Materialeigenschaften. "Für MEMS-Schaltungen benötigt man verschiedenste und völlig andere Materialien als in der Elektronikfertigung", sagt Dudde, der sich am Fraunhofer ISIT mit der Übertragung der Methoden der Elektronikfertigung auf neue Materialien beschäftigt.

In manchen der Mikroelektromechanischen Systemen würden piezoelektrische Schichten verwendet, wenn sich etwas mechanisch verformen soll, sobald eine Spannung anliegt. In anderen Anwendungsfällen sollen die Schichten optische oder magnetische Eigenschaften haben. Jedes Material wiederum wird unter anderen Prozesswerten verarbeitet. Aus diesem Grund stellt man Sensoren und Elektronik getrennt voneinander her. "Erst im Chip werden sie miteinander verbunden", so Dudde.

Nach der Fertigung der MEMS-Bestandteile werden diese an einem dritten Ort zusammengefügt. "Befände sich alles unter einem Dach, würde die Prozessvielfalt darunter leiden. Das klappt nicht richtig", so der Fraunhofer-Experte.

Auch der Prozess des Packaging ist nicht ohne: "Die größte Herausforderung besteht darin, diese winzigen Systeme in ein Gehäuse zu packen, ohne dass die eng nebeneinanderliegenden Sensoren sich gegenseitig stören", sagt Hubert Conti-Geitner von ST Microelectronics. Denn heute werden in ein wenige Millimeter kleines Gehäuse mehrere Sensoren inklusive Elektronik gepackt. Ein 3-achsiger Beschleunigungssensor von ST beispielsweise maß 2004 noch rund 50 Quadratmillimeter; heute passt ein 6-achsiges System bestehend aus einem 3-achsigen Sensor für Beschleunigung und einem weitaus komplexeren 3-achsigen Drehratensensor (Gyro) in ein 8 Quadratmillimeter kleines Gehäuse.

ST ist einer der weltweit größten Hersteller von Mikroelektromechanischen Systemen und fertigt neben den dominanten Konsu­meranwendungen zunehmend mehr Sensoren für automotive Anwendungen. "Von den produzierten Stückzahlen sind tragbare Kommunikationsgeräte wie Smartphones, Microfluidics, IoT und Wearables unsere größten Bereiche. Insgesamt haben wir bislang mehr als elf Milliarden MEMS-Sensoren und -Aktuatoren verkauft", so der Marketingmanager.

Neben den Sensoren gibt es die Aktoren. "Auf diesem spannenden Gebiet tut sich auch einiges", berichtet Conti-Geitner. So gebe es bei ST beispielsweise einen MEMS-Autofokus: "Die Firma poLight war einer der ersten Kunden, der unseren ThinFilm Piezo-Prozess in einem transparenten Polymerfilm zur gezielten Verformung einer Linse für Autofokussysteme einsetzte."

In anderen Micro-Electro-Mechanical Systems des europäischen Halbleiterherstellers führen winzige Spiegel Laserstrahlen über nahezu beliebige Oberflächen und fungieren als Projektoren für tragbare Projektorsysteme mit sichtbarem oder unsichtbarem Licht. MEMS-Mikrofone sind ebenfalls Aktuatoren und gehören laut iSuppli zu dem derzeit am stärksten wachsenden Marktsegment.

"Der Bereich der MEMS-Mikrofone hat eine ähnlich rasante Bauvolumenreduzierung durchlebt", berichtet Conti-Geitner. Stromaufnahme und Leistungsfähigkeit konnten Hersteller wie ST zeitgleich weiter verbessern.

Auch Infineon stellt MEMS-Mikrofone her. Diese liefern selbst bei höheren Lautstärken ein nahezu verzerrungsfreies Signal. "Ohne Einsatz von mechanischen oder elektrischen Filtern wird eine Aufnahme bei einem Schalldruck möglich, der bis zu 10 Dezibel höher liegt als bei den besten auf dem Markt befindlichen MEMS-Mikrofonen", sagt Andreas Kopetz, Leiter Marketing Sensoren, und erklärt auch gleich warum: "Wir verwenden für diese Art von Mikrofonen unsere Dual Backplate MEMS-Technologie.

Hier werden im MEMS-Sensor zwei Elektroden verwendet, die symmetrisch zur Membran angeordnet sind. Das erzeugt ein differenzielles Signal am Ausgang des Mikrofons und legt den Grundstein für die ausgezeichnete Audio-Qualität." Laut Kopetz ist die Dual Backplate-Technologie nicht ganz trivial zu fertigen. In hohen Volumina ist das bislang ausschließlich Infineon gelungen.

Die zyklischen Innovationswellen werden vermutlich weiter rollen. "In der Weiterentwicklung dieser Systeme ist kein Ende abzusehen. Diese 'Intelligenzbestien' werden immer kleiner und leistungsfähiger", so Kopetz. Dafür sorgt unter anderen auch das Fraunhofer ISIT, an dem man nun das Material Glas ins Visier genommen hat und sich fragt, wie feinste Strukturen in Glas geätzt werden könne.

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